Das spannende am Tongariro National Park sind die drei als aktiv geltenden Vulkane Tongariro (1968 m), Ngauruhoe (2291 m) und Ruapehu (2797 m). Letzterer ist meist schneebedeckt und prägt als höchster Berg der Südinsel schon von weitem den Anblick. Niedriger, aber ähnlich wie der Mount Taranaki in perfekter Vulkankegel-Gestalt zeigt sich der Mount Ngauruhoe, der in Herr der Ringe als Schicksalsberg (Mount Doom) herhalten durfte. Der namensgebende Tongariro ist der niedrigste der drei Vulkane und zeigt sich auch im Anblick von unten als völlig unspektakulär, weshalb wir uns mehrfach gefragt haben, warum der Nationalpark ausgerechnet nach ihm benannt wurde… Die berühmteste Wanderung hier ist das sogenannte Tongariro Alpine Crossing, welches in 19,4 km und ca. 1.000 Höhenmetern einmal quer durch das Vulkanmassiv führt und beeindruckende Ausblicke verspricht. Es wird oft als die schönste Tageswanderung in Neuseeland bezeichnet, wodurch es natürlich entsprechend beliebt ist und viele Touristen anzieht. In der Hochsaison angeblich mehr als tausend Wanderer pro Tag, und das, obwohl die Wanderung mit 6-8 Stunden angegeben ist!
Selbstverständlich war die Wanderung auch fest bei uns eingeplant, das wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Daher haben wir extra ein Zeitfenster mit gutem Wetter abgepasst und sind gleich nach unserer Ankunft erstmal zur i-Site gegangen, um uns nochmal abschließend zu informieren. Dabei wurden wir erstmal ziemlich abrupt auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: „Doch nicht etwa mit den Kindern? Nein, das geht gar nicht … viel zu kalt … das Wetter ist hier ist anders … schwere Bergtour … die Shuttlebusse nehmen sowieso keine Kinder mit“. Zusammengefasst: Wir sind Rabeneltern, dass wir überhaupt auf so eine Idee kommen! Sichtlich deprimiert sind wir zurück zum Camper und haben erstmal lange überlegt, was wir nun machen können. So ganz konnten wir die Bedenken der Dame hinsichtlich der Temperaturen auf 1.800 Metern nicht verleugnen, denn auch im Tal war es mittlerweile nur noch maximal 10°C. Irgendwann haben wir uns dann dazu durchgerungen, das Crossing einzeln zu machen, während die/der andere Kinderdienst hat. Sicherlich nicht die schönste Lösung, aber verzichten wollten wir auf das Crossing beide nicht. Damit haben wir uns wenigstens die 40 NZD Shuttlegebühren pro Nase gespart, die sonst nötig sind, da es sich ja nicht um einen Rundweg handelt.
So kam es also, dass erst ich und dann am nächsten Tag Katja uns in die Schar der Crosser eingereiht haben. Der Wetterbericht hatte nicht gelogen und wir hatten beide wirklich perfektes Wetter mit strahlend blauem Himmel. Sogar der angedrohte Wind war oben deutlich weniger zu spüren als befürchtet. Vielleicht wäre es doch auch mit den Mädels möglich gewesen, aber angesichts der 700 Höhenmeter Aufstieg und 1.000 Höhenmeter im Abstieg waren wir am Ende doch ganz froh, nicht noch Kraxe und Kind auf dem Rücken zu haben, sondern nur einen normalen Tagesrucksack. Der Weg führt anfangs noch recht flach durch eine Lavagebiet, ständig mit Blick auf den Mount Ngauruhoe, bevor es dann recht steil hinauf zum Red Crater geht. Von hier hat man einen tollen Blick auf die Emerald und Blue Lakes, zu denen man dann durch einen steilen Schutthang absteigt. Hier war ich dann doch froh, nicht wie 90% der anderen Wanderer mit Turnschuhen sondern mit meinen Bergschuhen unterwegs zu sein. Generell fragt man sich schon, wie manche für so eine Tour ausgestattet sind. Kurze Hose, T-Shirt, ein Mini-Rucksack wo nicht mehr als eine Flasche Wasser reinpasst und das wars. Und das obwohl die Kiwis ja nicht müde werden, die Schwierigkeit der Wanderung zu betonen, sowohl in der i-Site als auch auf diversen Schildern vor und während der Strecke: „Fühlst du dich fit? Bist du vorbereitet? Wenn nicht, dreh besser um!“ und so ähnliche Botschaften finden sich alle paar Kilometer (lustigerweise immer in den Toiletten), gepaart mit der Information, dass durchschnittlich pro Woche zwei Wanderer per Heli gerettet werden müssen. Nach dem Blue Lake folgt dann der etwas langwierige Abstieg in Serpentinen, der zwar Kiwi-typisch super ausgebaut ist, aber sich wirklich zieht. Am Ende warten dann auch noch ein paar Treppen, um den Oberschenkeln den Rest zu geben :-) Mit Pausen haben Katja sechs und ich fünf Stunden gebraucht, so dass wir beide schon mittags wieder zurück waren und den Nachmittag noch nutzen konnten.
Nach meinem Crossing haben wir es entspannt angehen lassen und sind in nahegelegene Hot Pools sowie zu den Tawhei Falls gefahren – wieder einem Drehort von Herr der Ringe, der sogenannte Gollum‘s Pool!
An Katjas Wandertag hatte ich mich für den Nachmittag noch mit einem Schweizer Fotografen verabredet, den ich aus einem Fotoforum kenne. Wieder so ein lustiger Zufall, da muss man um die halbe Welt reisen um sich dann mal persönlich zu treffen! Das mussten wir natürlich für eine gemeinsame Tour nutzen und sind zu den Tama Lakes aufgebrochen. Das DOC hat die Wanderung mit 5-6 Stunden ausgewiesen, da wir aber schon nach 1,5 Stunden oben waren blieb uns mehr als genug Zeit für die Motivsuche und die Fotografen-Fachgespräche. Wie in NZ üblich verzogen sich die Wolken pünktlich zum Sonnenuntergang, aber wir hatten tolles rotes Licht auf den beiden Kraterseen mit den beiden Bergen Mount Ngauruhoe und Mount Ruapehu im Hintergrund. Da wir beide nach dem unseren Frauen nur zu gut bekannten Satz „noch ein Foto, dann bin ich soweit“ noch eine ganze Weile fotografiert haben, sind wir im Dunkeln mit Stirnlampe abgestiegen und die Mädels waren schon im Bett, als ich ankam.
Da wir beide am nächsten Tag etwas müde Beine hatten, entschieden wir uns für eine Fahrt auf die andere Seite des Nationalparks um die Mangawhero Falls und die Waitonga Falls zu besichtigen, wofür nur eher kurze Wanderungen nötig sind. Die knappe Stunde über Stufen zu den Waitonga Falls war auf jeden Fall ausreichend, und ich hatte noch meine persönliche Kraxelei durch das Flussbett, um die Wasserfälle zu fotografieren. Lustigerweise war es gar nicht der große Hauptwasserfall, sondern eher ein kleiner Nebenwasserfall, der es mir besonders angetan hatte. Wie bei Wasserfällen so üblich hat das alles ein klein wenig länger gedauert, so dass ich von einer fröstelnden und etwas verstimmten Ehefrau erwartet wurde. Auf dem Rückweg fuhren wir noch durch das Rangipo Desert, keine wirklich Wüste, aber ein unfruchtbarer Landstrich auf der anderen Seite des Vulkans. Der tolle Anblick wurde lediglich durch eine große Stromtrasse gestört, die man exakt zwischen Straße und den Vulkanen platziert hat, obwohl auf der anderen Straßenseite mehr als genug Platz gewesen wäre…
Kommen wir nun also zu meiner persönlichen Foto-Verrücktheit des Urlaubs: In einem Blobeitrag eines anderen Fotografen hatte ich vor unserem Urlaub gelesen, dass er einen Teil des Tongariro Crossings zum Sonnenaufgang gemacht hat. Das gezeigte Bild hat mich so beeindruckt, dass ich mir diesen Frühsport auch vorgenommen habe. Bei meinem ersten Crossing tagsüber stellte ich dann fest, dass der gewünschte Fotopunkt ziemlich genau in der Mitte des Crossings liegt, d.h. also in 10km Entfernung, je nach Aufstiegsseite 700 bis 1.000 Höhenmeter und eine Zeit von 2-2,5 Stunden… Damit wurde aus einem coolen Vorhaben dann auf einmal eine etwas fragwürdige Angelegenheit und ich habe mehrfach hin- und herüberlegt, ob ich es wirklich machen soll. Den ersten Plan, es am Morgen nach den Tama-Lakes zu machen, habe ich dann aufgrund meiner müden Beine und der Tatsache, dass wir erst gegen 24:00 Uhr im Bett waren, verworfen und Katja musste wieder die übliche Fotografen-Depression ertragen. Da die Tagestour auf die andere Seite des Nationalparks dann aber länger dauerte als geplant, bot sich mir eine weitere Chance, das Vorhaben umzusetzen. Um drei Uhr klingelte mein Wecker und Katja hat mich zum Einstiegspunkt gebracht. Aufgrund des leichteren Weges habe ich mich für die Abstiegsroute entschieden, wodurch ich allerdings ca. 300 Höhenmeter mehr bewältigen musste. Der Aufstieg hat dann richtig Spaß gemacht. Etwas mehr als zwei Stunden durch die Dunkelheit, immer bergauf, bei Temperaturen unter 0°C, und eine Mischung aus Erschöpfung und der Frage, ob man es noch rechtzeitig zum Sonnenaufgang nach oben schafft. Was könnte man sich Schöneres im Urlaub vorstellen? 20 Minuten vor Sonnenaufgang war ich dann oben und hatte schnell meinen Bildaufbau gefunden, so dass mir noch genug Zeit blieb, meine warmen Klamotten anzuziehen und auf das Licht zu warten. Und dann war es soweit: Erst auf dem Ruapehu, dann auch auf dem Ngauruhoe zeigte sich das erste Morgenlicht, herrlich rot so wie ich es erhofft hatte. Die Strapazen haben sich also gelohnt und im Gegensatz zum ersten Crossing hatte ich diese atemberaubende Gegend komplett für mich allein! Sicherlich einer der intensivsten Momente, die ich während unseres Neuseelandurlaubs erleben durfte! Nachdem das Licht vorbei war, machte ich mich wieder an den Abstieg und gegen 10 Uhr erwartete mich Katja mit einer Tasse Kaffee und einem schönen Frühstück am Camper. Danach konnte ich auch mit einem guten Gefühl aus dem Tongariro NP wegfahren, sonst hätte ich mich wahrscheinlich über mich selbst geärgert, dass ich es nicht gemacht habe.
Dr. Gerhard Aust
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